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Von der Scham und vom Stolz, Deutscher zu sein - Erlebnisse in der Dominikanischen Republik

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Erlebnisse in der Dominikanischen Republik

Es begab sich in Santo Domingo. Ich saß gegen Mittag gemütlich in einem Straßencafé und las ein Buch. Zumindest für eine Weile. Zumindest, bis mich Stimmen aus dem Gespräch rissen. Erstaunlicherweise auf Deutsch und viel zu laut.

Was? Soviel? Dafür konnte man früher die ganze Familie vögeln. Die Nutten hier werden auch immer dreister!

Vermutlich ging der Sprecher davon aus, dass ihn außer seinem Gesprächspartner sonst niemand verstand. Dass es nicht so war, war vermutlich für uns beide eine negative Überraschung. Unauffällig schielte ich über mein Buch, um zu erkennen wer der Urheber jenes intellektuellen Ausspruchs war. Obwohl in diesem Moment keiner redete, konnte  ich schon auf den ersten Blick den Kreis der Verdächtigen auf zwei Personen eingrenzen. Sie saßen am Nebentisch und entsprachen bis ins letzte Detail der Karikatur des hässlichen Deutschen auf Reisen.

Beide waren ungefähr Mitte fünfzig mit feisten rot verbrannten Gesichtern aus denen die vom Alkohol geröteten Nasen noch einmal gesondert hervorleuchteten. Einer trug einen Strohhut, während der Andere sich offenbar zum Schutz gegen die Sonne seine spärlichen Haarwuchs quer über Halbglatze gekämmt hatte. Dazu passten ihre Hawaihemden, die sich über ihren stattlichen Bäuchen spannten, wo die unvermeidliche Kamera baumelte. Bei den Shorts waren sie sich nicht ganz so einig gewesen. Einer trug seine farblich passend zum Hemd, während sich der andere für kariert und überhaupt nicht passende Farben entschieden. Gekrönt wurde das Outfit bei beiden durch weiße Socken, die natürlich in Sandalen steckten.

sandalen

Kurze Zeit stellte sich heraus, dass ich mit meiner Vermutung recht hatte. Die Antwort des Strohhutträgers bewegte sich ungefähr auf gleichem Niveau. Abgestoßen versuchte ich mich wieder auf mein Buch zu konzentrieren. Dass mir das nicht gelang, lag an einer weiteren deutschen Stimme, die sich aber offensichtlich hinter mir befand und deutlich leiser sprach.

Die müssen wir im Auge behalten. Die können wir mit Sicherheit melken.

Jetzt wurde das Ganze auf einmal spannend. Da sich der Sprecher eindeutig hinter mir befand, versuchte ich gar nicht erst, ihn unauffällig zu beobachten und beschränkte mich aufs Lauschen. Das klappte nur bedingt, denn die beiden Stimmen flüsterten mehr, als sie redeten. Soweit ich es mir zusammenreinem konnte, hatte die beiden Männer hinter mir vor, die beiden dicken deutschen Sextouristen abzuzocken. Wie genau habe ich nicht verstanden und aus offensichtlichen Gründen nicht nachgefragt. Doch offensichtlich spielte ein gefälschter BKA-Ausweis dabei eine wichtige Rolle.

Dann sagten sie nichts mehr und zwangsläufig kehrte meine Aufmerksamkeit dem Gespräch zwischen Strohhut und der überkämmten Glatze zu. Schon nach knapp einer Minute stand für mich fest, dass sie es ohne Zweifel verdient hatten, auf jede erdenkliche Art und Weise abgezockt zu werden. Jeder Satz regte mich nur noch mehr auf. Wenn ich ihnen noch weiter zuhören musste, würde ich ihnen wohl bald ein paar unfreundliche Worte an den Kopf schleudern. Dazu hatte ich weder Lust noch Zeit. Daher leerte ich mein Bier, hinterließ die Bezahlung auf dem Tisch und stand auf.

Dabei konnte ich auch erstmals einen Blick auf die beiden Deutschen hinter mir werfen. Die waren ganz offensichtlich schon länger im Land als ich und unsere beiden Landsleute. Zumindest deuteten ihre von der Sonne gegerbten Gesichter darauf hin. Die Augen waren hinter dunklen Sonnenbrillen versteckt. Gangstervisagen wie sie im Buche stehen. Beide rauchten Zigarre und waren wie die meisten Dominikaner mit Hemd und langer Hose gekleidet. Klobige Uhren und viel Gold deuteten auf illegales Geld hin.

Solange sie es Typen wie den beiden Ekelpaketen vor mir abnahmen, sollte es mir egal sein. Trotzdem war es in diesem Moment kein besonders erhebendes Gefühl, Deutscher zu sein. Das sollte sich noch am selben Tag ändern.

Am frühen Abend musste ich mal wieder warten, ein in der Dominikanischen Republik offensichtlich ein sehr beliebtes Hobby. Auf irgendwen oder irgendwas wartet man dort eigentlich ständig. Um die Wartezeit möglichst entspannt zu nutzen, beschloss ich, mir ein kühles Bier an der Tankstelle gegenüber zu besorgen. Neben mir an der Kasse standen drei Dominikaner, die sich gerade aus einer Jumboflasche Bier in Plastikbecher einschütteten. Aufgrund eines Kreditkartenproblems des Kunden vor mir fanden wir Zeit, uns ein wenig zu unterhalten. Als ich sagte, dass ich aus Deutschland komme, zauberten sie spontan einen weiteren Plastikbecher hervor und schenkten mir auch eins ein.

Deutschland, wie lieben euer Bier!

Kaum hatte ich den ersten Schluck getrunken, wusste ich warum.

Presidente Dominikanische Republik

Dieses Bier schmeckte scheußlich. Gerechterweise muss man sagen, dass dies für dominikanisches Bier im Allgemeinen nicht zutrifft. Doch mit dieser Flasche stimmte irgendetwas nicht. Das fiel auch meinen Mittrinkern auf und sie forderten die Verkäuferin auf, es gegen ein neues umzutauschen. Die probierte kurz und winkte dann ab. Prompt begannen sich zwei der Jungs mächtig aufzuregen, was die Verkäuferin überhaupt nicht kümmerte. Der dritte hingegen bewahrte die Ruhe und zeigte auf mich.

Er denkt auch, mit dem Bier stimmt was nicht. Und er muss es wissen, er ist Deutscher.

Fragend wendete sich die Verkäuferin an mich und ich bestätigte beide Punkte. Danach wirkte sie leicht resigniert, tauschte aber anstandslos die Flasche um. Auch aus der neuen Flasche musste ich natürlich probeweise trinken. Alles war in Ordnung, meine drei neuen Freunde prosteten mir zufrieden zu und langsam kam er zurück: Der Stolz Deutscher zu sein.

Foto1: © WRW / PIXELIO


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